Grundtypen ethischer Argumentation: Was soll ich weshalb tun??

Pflichtethik nach Kant- Die deontologische Argumentation

Laut Kant besteht der Wert einer Handlung nicht nur in ihren Konsequenzen, sondern in der Handlung selbst. Es gibt Handlungen, die schlecht sind, egal wie viel Gutes dabei herauskommt. Töten, Foltern und Stehlen gehören dazu. Diese Handlungen sind kategorisch falsch und können nicht durch Kosten-Nutzen-Rechnungen aufgewertet werden. Es gibt Dinge, die man nicht tun darf, unter keinen Umständen. Diese moralischen Verbotsschilder schützen unsere Menschenwürde und verhindern, dass unsere Interessen oder unser Leben für das Gemeinwohl geopfert werden. Der wichtigste Vertreter der Pflichtethik ist Immanuel Kant (1724–1804; Bild), der Aufklärungsphilosoph aus Königsberg und Erfinder des berüchtigten kategorischen Imperativs. In seiner Abhandlung "Kritik der praktischen Vernunft" (1788) stellt er die grundlegende Frage "Was soll ich tun?" Hiermit verbunden ist der sittliche Anspruch, aktiv das Gute zu wählen. Im Gegensatz zum Tier kann der Mensch bewußt und frei entscheiden, das Gute zu tun. Gut ist laut Kant eine Handlung dann, wenn der Mensch seiner inneren Pflicht nachkommt, das natürliche Sittengesetz zu erfüllen. Somit spielen nicht die Folgen einer Entscheidung, das individuelle Glück oder die Umstände eine Rolle. Nur die pflichtgemäße Erfüllung eines sittlichen Anspruchs ist Maßstab des Handelns. Ganz im Verständnis der Aufklärung spielt bei Kant die Vernunft des Menschen eine entscheidende Rolle: sie ermöglicht dem Menschen Einblick in das Sittengesetz und kennt moralische Gebote und Verbote. Nach Kant ist der Mensch also in der Lage, sich das Gesetz gleichsam aus sich selbst heraus zu geben, einer inneren Überzeugung und Einsicht folgend. Der Mensch verfügt über ein moralisches Prinzip, welches ihm nicht von außen (heteronom) gegeben wird, sondern welches durch seine Vernunft a priori (vor aller Erfahrung) zugänglich ist. Der sogenannte Kategorische Imperativ Kants fasst dieses moralische Prinzip in die Formel "Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte." Kommt nun der Mensch zur der Einsicht, dass seine Maximen (Grundsätze) als Gesetzgebung für eine Allgemeinheit tauglich sind, so hat er die Pflicht, seiner Einsicht zu folgen. Daher wird der Ansatz von Kant auch als Pflichtethik bezeichnet. In der "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten" beschreibt Kant dies eindrücklich.

"Pflicht! du erhabener großer Name, der du nichts Beliebtes, was Einschmeichelung bei sich führt, in dir fassest, sondern Unterwerfung verlangst, doch auch nichts drohest, was natürliche Abneigung im Gemüte erregte und schreckte, um den Willen zu bewegen, sondern bloß ein Gesetz aufstellst, welches von selbst im Gemüte Eingang findet, und doch sich selbst wider Willen Verehrung (wenn gleich nicht immer Befolgung) erwirbt, vor dem alle Neigungen verstummen, wenn sie gleich insgeheim ihm entgegen wirken, welches ist der deiner würdige Ursprung, und wo findet man die Wurzel deiner edlen Abkunft, welche alle Verwandtschaft mit Neigungen stolz ausschlägt, und von welcher Wurzel abzustammen, die unnachlassliche Bedingung desjenigen Werts ist, den sich Menschen allein selbst geben können?"

Immanuel Kant,(1724 - 1804), Kritik der praktischen Vernunft, 1788. Erster Teil. Elementarlehre der reinen praktischen Vernunft



Utilitarismus nach Bentham- Die teleologische Argumentation

Der Utilitarismus behauptet, der moralische Wert einer Handlung bemesse sich allein an ihren Folgen. Wenn Sie also wissen wollen, ob eine Handlung gut ist, dann schauen Sie, was dabei herauskommt. Für die Praxis heisst das: Handle so, dass durch deine Handlung das Glück der Betroffenen maximiert und das Leid minimiert wird. Das grösste Glück für die grösste Zahl – das ist das Ziel der Moral. Dazu kann jedes Mittel recht sein: Der Zweck heiligt die Mittel. Wichtige Vertreter des Utilitarismus waren die beiden englischen Philosophen Jeremy Bentham (1748–1832; Bild) und John Stuart Mill (1806–1873). Der bekannteste noch lebende Vertreter dieser Denkrichtung ist der australische Philosoph Peter Singer. Der Begriff Utilitarismus geht auf das lateinische Wort utile zurück, was soviel wie nützlich bedeutet. Ausgangspunkt des Utilitarismus ist die Beobachtung, dass alle Menschen nach Glück streben. Hieraus ergibt sich die Bewertungsgrundlage für eine Handlung: nicht, ob diese gut oder schlecht an sich ist, sondern ob die Folgen einer Handlung für einzelne Menschen oder Gruppen bis hin zur Gesellschaft gut oder schlecht sind, ist ausschlaggebend zur Beurteilung.

"Die Natur hat die Menschen unter die Herrschaft zweier souveräner Gebieter - Freud und Leid - gestellt. Es ist an ihnen allein aufzuzeigen, was wir tun sollen."

Jeremy Bentham (1748 - 1832)


Vergleich der Positionen von Kant und Bentham





Verantwortungsethik nach Jonas

Im Unterschied zu einer reinen Pflichtenethik fließen auch hier wieder die Folgen einer Handlung in die Entscheidung mit ein. Allerings spielen weiter gefasste Prinzipien eine Rolle, da unsere Lebenssituation nicht vergleichbar ist mit der vergangener Generationen. Vor allem die Auswirkungen von Wissenschaft und Technik sowie wiederum deren Folgen für Mensch und Natur bedürfen neuer ethischer Positionen. Traditionelle Maßstäbe können in einer Welt wie unserer nicht mehr zufriedenstellend angewandt werden. Vielmehr müssen Pflichtethik und Utilitarismus zusammengebracht und zusammen gedacht werden.Diese Aussage begründet sich vor allem in der Erkenntnis, dass menschliches Handeln nicht mehr nur Folgen für die gegenwärtige Welt hat, sondern sowohl zeitlich als auch territorial weit darüber hinausgeht. Der Mensch muss somit nicht nur für die gegenwärtige Generation Verantwortung übernehmen, sondern auch für eine Menschheit und Natur, zu denen kein direktes Verhältnis besteht (zukünftige Generationen, andere Länder...). Jonas plädiert daher für einen neuen kategorischen Imperativ im Sinne einer "Fern- und Zukunftsethik". Er fordert unter anderem, jede neue Technologie vor ihrer Einführung auf mögliche Folgewirkungen für alles derzeitige und zukünftige Leben zu prüfen. Für den Fall, dass die Folgen nicht genau absehbar sind, plädiert er dafür, sich im Zweifel für die Unheislprognose zu entscheiden. Auf eine technische Neuerung soll verzichtet werden, sobald sie das Potenzial zur Gefährdung der Zukunft mit sich bringt.

"Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung nicht zerstörerisch sind für künftige Möglichkeit solchen Lebens."

Hans Jonas (1903 - 1993)