Fünf Schritte zur Bildung eines begründeten ethischen Urteils
Schritt 1: Wahrnehmung, Annahme und Bestimmung eines Problems als ethische Herausforderung
Ein ethisches Urteil ist nur dann erforderlich, wenn es um eine ethisch gehaltvolle Frage geht. Rein technische oder sachliche Fragen wie zum Beispiel "Welche Autobahn führt nach Berlin?" oder "Wie backe ich einen Kuchen?" erfordern keine ethische Reflexion.Schritt 2: Situationsanalyse
Ein Urteil kann nur dann verantwortlich getroffen werden, wenn möglichst alle beteiligten Faktoren bekannt sind. So ist zum Beisspiel auch die Frage nach den Folgen einer Entscheidung einzubeziehen. Auch auf die Interessen aller im weitesten Sinn an der Situation Beteiligten muss geachtet werden.Schritt 3: Sammlung von Handlungsoptionen
Ethisches Urteilen bezieht sich immer auf mögliche Handlungsoptionen, die hypothetisch erwogen und überprüft werden. Es muss also genau überlegt werden, welche unterschiedlichen Optionen überhaupt in Frage kommen.Schritt 4: Prüfung von Normen und Werten
In zu bewertenden Situationen sind häufig aufgrund subjektiver Interessen bestimmte Normen und Werte angesprochen. Allerdings darf die (eigene) Urteilsbildung sich nie auf von anderen genannte Normen und Werte beschränken. Vielmehr ist zu prüfen, welche anderen Normen und Werte angesprochen sein könnten und welche letztendlich für eine Entscheidung erforderlich sind. Reichweite und Gewicht der entsprechenden Normen und Werte sollten möglichst selbst überprüft werden. Letztendlich gehört zur Urteilsbildung die Klärung möglicher Konflikte mit Blick auf alle Betroffenen.Schritt 5: Ein Urteil fällen
Das Urteil sollte alle erhobenen Gesichtspunkte berücksichtigen. Im Idealfall geht es daraus hervor.Stufen des moralischen Urteils nach Lawrence Kohlberg
Niveau und Stufe | Was rechtens ist | Gründe, das Rechte zu tun |
---|---|---|
Stufe 1 | Heteronome Moralität: Regeln einzuhalten, deren Übertretung mit Strafe bedroht ist | Regeln werden eingehalten, um Strafe zu vermeiden.Orientierung an Autoritäten |
Stufe 2 | Individualismus, Zielbewusstsein, Austausch: Regeln befolgen, solange es eigenen Interessen dient, andere dasselbe tun lassen | Regeln werden eingehalten, wenn es der Befriedigung eigener Bedürfnisse dient.Es wird anerkannt, dass andere Menschen auch eigene Bedürfnisse haben |
Stufe 3 | Wechselseitige Erwartungen, Beziehungen und interpersonelle Konformität; Erwartungen entsprechen, die andere an mich haben | Wunsch, in den eigenen und den Augen anderer als "gut" zu erscheinen; Zuneigung zu anderen; Glaube an die goldene Regel |
Stufe 4 | Soziales System und Gewissen: Pflichten erfüllen, die man übernommen hat; Gesetze befolgen | Regeln werden befolgt, um ein Zusammenleben zu ermöglichen; Orientierung an (abstrakten) Gesetzen; Zusammenbruch des Systems vermeiden "wenn jeder das täte" |
Stufe 5 | Gesellschaftliche Nützlichkeit;individuelle Rechte; Regeln beruhen auf einem sozialen Kontrakt; gewisse absolute Werte wie 'Leben' und 'Freiheit' müssen in jeder Gesellschaft und unabhängig von der Meinung der Mehrheit respektiert werden | Gesetze können relativiert werden zu Gunsten von übergeordneten Prinzipien, die zu einer gerechten Gesellschaft beitragen; Gefühl der Verpflichtung gegenüber dem Gesetz aufgrund der im Gesellschaftsvertrag niedergelegten Vereinbarung |
Stufe 6 | Universale ethische Prinzipien: alle Menschen haben die gleichen Rechte, die Würde des Einzelnen ist zu wahren | Selbstgewählte ethische Prinzipien sind für das Urteil leitend. Gesellschaftliche Übereinkünfte werden befolgt, weil sie auf den selbstgewählten Prinzipien basieren |