Gottesbeweise

Wenn man beweisen könnte, dass es keinen Gott gibt, dann gäbe es keine Religion...

Aber, wenn man beweisen könnte, dass es Gott gibt, dann gäbe es keine Religion.

Ursula K. Le Guin

Die heutige Welt macht es dem Einzelnen schwer, an einen personalen Gott zu glauben. Nachrichten aus nah und fern sowie ein offener Blick auf das eigene Leben und Umfeld machen die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes aktueller denn je, das Nebeneinander verschiedener Weltanschauungen und eine immer stärker diesseitsorientierte Lebensweise mit geringer Bindung an kirchliche Einrichtungen bieten Grundlage für die Frage nach der Existenz Gottes. Ist der Glaube an Gott nur eine unbeweisbare Illussion und Wunschdenken, oder kann man beweisen, dass es Gott gibt?

In einem Interview mit der Zeit gibt Dirk Evers, Theologieprofessor der Uni Halle-Wittenberg eine aktuelle Antwort der christlichen Theologie.

Eine etwas andere Einführung in das Thema bietet auch das folgende Video vom Science Slam Berlin.

Der Wunsch, Gottes Existenz zu erkennen und beweisen zu können, findet sich auch in der christlichen Tradition. Vor allem zu nennen sind hier die Argumentationen von Thomas von Aquin und Anselm von Canterbury. Hier steht besonders die Verbindung von Glaube und Vernunft im Mittelpunkt mit dem Anspruch, die eigene Position nachvollziehbar darzulegen und vernünftig zu argumentieren. Die abendländische Theologie entwickelte zahlreiche Versuche, den Glauben an Gott als denkerisch vernüftig darzustellen. Allerdings waren sie schon zur Zeit ihrer Entstehung teilweise umstritten oder wurden inhaltlich umgeformt.
Ursprüngliche Absicht der Gottesbeweise war nicht, Ungläubige zu überzeugen, sondern Gläubigen rationale Argumente an die Hand zu geben. Bis zur Neuzeit war die Annahme einer göttlichen Macht eine selbstverständliche Denk- und lebensvoraussetzung. Ein Gottesbeweis funktioniert also nur dann, wenn die Existenz Gottes tatsächlich als gegeben vorausgesetzt wird. Dann lassen sich Dasein und Wesen Gottes methodisch und rational einsichtig machen. Erst deutlich später werden Gottesbeweise auch im Sinne einer angeblich zwingenden Beweisführung für die Existenz Gottes gesehen.
Die Ursprünge der Gottesbeweise sind in der griechischen Philosophie zu finden. Die vorsokratischen Naturphilosophen suchen nach den letzten Gründen der irdischen Wirklichkeit und finden diese im "Urstoff", den sie als das Göttliche ansehen.
Insbesondere die Theologie des Mittelalters sucht nach Wegen, Glaube und Vernunft zu verbinden. Diese Argumentationen zur Festigung des Gottesglaubens mit Hilfe der Vernunft sind heute heute als Gottesbeweise bekannt. Bei nährerem Hinsehen wird allerdings schnell deutlich, dass es sich nicht um "Beweise" im engeren Sinne handelt.

Die fünf Wege des Thomas von Aquin (um 1225-1274)

Thomas von Aquin (1225-1274) ist einer der einflussreichsten Philosophen und wird als der bedeutendste katholische Theologe der Geschichte bezeichnet, auch gehört er zu den bedeutendsten Kirchenlehrern der römisch-katholischen Kirche. Die philosophisch-theologische Richtung des späten Mittelalters war die Scholastik, die von Aristoteles übernommene Denkweise und Methode der Beweisführung, wobei es hier überwiegend um theologische und philosophische Fragen ging.
Im Mittelpunkt der Fragestellung stand die Existenz Gottes und wie diese durch Vernunft und Denken auch gegenüber Nichtgläubigen bewiesen werden könne. Im Gegensatz zu anderen Scholastikern spricht Thomas von Aquin nicht vom Beweis der Existenz Gottes, sondern von deren Erkenntnis. Ihm geht es nicht darum, etwas zu beweisen, so dass sein Gegenüber einen Irrtum eingestehen muss, sondern es geht ihm darum, dass sein Gegenüber von sich aus und aus eigener Erfahrung zur Erkenntnis gelangt. In der summa theologiae beschreibt er daher fünf Wege, wie die Erkenntnis Gottes ermöglicht werden kann.

Der erste Weg
Jegliche Bewegung setzt ein Unbewegliches voraus: Alle Bewegung und Veränderung verlangt ein Bewegendes. Da eine Reihe von bewegten Bewegern aber nicht ins Unendliche zurückgehen kann, weil es sonst keinen Anfang der Bewegung gäbe, muss es einen ersten Beweger geben, der selbst unbewegt ist. Diesen unbewegten Beweger verstehen alle als Gott.

Der zweite Weg
Jede Wirkung hat eine Ursache: Da aber nichts Ursache seiner selbst ist (weil es sonst logisch sich selbst vorausgehen müsste) und die Reihe der Ursachen nicht ins Unendliche gehen kann, muss es eine erste selbst nicht verursachte Sache geben. Diese erste Wirkursache nennen alle Gott.

Der dritte Weg
Es gibt Dinge, die sein oder nicht sein können. Wäre alles so beschaffen, so kann auch einmal alles nicht sein, dann aber könnte nichts zu existieren beginnen. Also muss es Dinge geben, die notwendig sind, und zwar aus sich heraus oder durch ein anderes. Da die Reihe der aus einem anderen notwendigen Dinge nicht ins Unendliche gehen kann, muss es ein erstes durch sich notwendiges geben. Auch dieses nennen alle Gott.

Der vierte Weg
In allen Dingen gibt es ein Mehr oder Weniger an Gutem, Wahrem und Edlem. Dies kann nur ausgesagt werden, wenn es ein Maß gibt, das diese Bestimmung in Vollkommenheit enthält. Also gibt es etwas, was von allem Seienden die Ursache des Seins, der Gutheit oder jeder anderen Vollkommenheit ist. Und dies nennen wir Gott.

Der fünfte Weg
Dinge, die ohne Vernunft sind, bedürfen, um ein Ziel zu erreichen, eines Erkennenden, der das Ziel setzt. Wie der Pfeil eines Schützen, der das Ziel und die Richtung bestimmt, so bedarf der Mensch ebenfalls eines Lenkers. Es muss also etwas vernünftig Erkennendes geben, von dem alle Naturdinge auf ein Ziel hin geordnet werden. Und dieses nennen wir Gott.


Der ontologische Gottesbeweis von Anselm von Canterbury (1033-1109)

In seiner Schrift Proslogion zeigt Anselm von Canterbury einen Weg, der das Dasein Gottes nicht aus den Fakten der Welterfahrung, sondern aus dem Gottesgedanken selbst ableitet. Die Existenz Gottes soll ohne Vorerfahrung, also a priori, erkennbar gemacht werden. Erst in späterer Zeit wurde diese Argumentation von Kant als ontologischer (vom Wesen des Seienden ausgehender) Gottesbeweis bezeichnet. Beachtet werden muss, dass Anselms philosophischer Gedankengang einen christlichen Gottesbegriff voraussetzt. Diese Gottesvorstelling beinhaltet, dass Gott über jede positive Eigenschaft im höchsten Maße verfügt: Liebe, Güte, Macht, Wissen... Gott kann in nichts übertroffen werden. daraus folgert Anselm, dass auch nichts Gott im Denken überschreiten kann. Die Gottesidee bei Anselm bezieht sich also auf ein Wesen, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann. Dann aber muss Gott als reale Wirklichkeit exixtieren und nicht nur als Gedanke, da zur Vollkommenheit Gottes seine Existenz unbedingt dazu gehört. Würde Gott nämlich nur gedanklich existieren, könnte man noch etwas größeres über ihn hinaus denken: seine reale Existenz. Dann wäre Gott aber nicht mehr das größte denkbare Wesen. Anselm kommt daher zu der Schlussfolgerung, dass Gott real existieren muss, um das Wesen zu sein, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann.







Weitere Gottesbeweise

Der teleologische Gottesbeweis
(telos = Ziel, Sinn) geht von der Beobachtung aus, dass alles in der Welt zielgerichtet und auf Ordnung, Schönheit und Zweckmäßigkeit hin ausgelegt ist.
Aristoteles formuliert dies in Form eines Analogieschlusses folgendermaßen:"Wenn ein Seemann von weitem ein Schiff in den Hafen einlaufen sieht, vermutet er einen Steuermann auf ihm. So haben die, welche zuerst zum Himmel aufschauten und die Sonne sahen, und den wohlgeordneten Reigen der Sterne einen Meister dieser herrlichen Weltordnung gesucht." (Fragment, 11)

Der kosmologische Gottesbeweis
stellt eine Sonderform des teleologischen Beweisganges dar.
Da Erde und Kosmos existieren und alles, was ist, einen Ursprung und eine Ursache hat und nichts aus sich selbst heraus entsteht, muss es eine letzte Ursache geben, von der sich alles Existierende herleitet.
Mit dem kosmologischen Gottesbeweis (auch Bewegungsbeweis) geht Aristoteles vom Verständnis der Welt als wohl geordnetem Kosmos aus. Veränderungen der welthaften Wirklichkeit setzen den reinen Akt (actus purus), den unbewegten Beweger als Erklärungsgrund voraus.

Der ethnologische Gottesbeweis
(ethnos = Volk) oder auch historische Gottesbeweis schließt von dem Vorhandensein des Gottesglaubens in allen Völkern aus die Existenz Gottes. Bei diesem Beweis geht Thomas von Aquin von der Tatsache aus, dass es, wie er meinte, kein Volk auf der Welt ohne Verehrung einer Gottheit gibt. Das kann kein Zufall sein, sondern muss darauf beruhen, dass sich Gott selbst allen Menschen geoffenbart hat.

Kants Postulat Gottes
Der Philosoph Immanuel Kant hat aufgezeigt, dass diese genannten Gottesbeweise keineswegs zwingend sind. Er betonte, dass es nicht logisch sei, von der Möglichkeit und der Denkbarkeit eines allerhöchsten Wesens auf dessen reale Existenz zu schließen. Nicht alles, was denkbar ist, muss deshalb auch schon existieren. Immanuel Kant selbst hat als einzigen Gottesbeweis den moralischen Gottesbeweis gelten lassen. Das Dasein Gottes kann nicht theoretisch bewiesen werden, sondern ergibt sich aus der Existenz des Gewissens, der Moral und des menschlichen Verantwortungsbewusstseins. Da der Mensch sich einem Sittengesetz unterworfen weiß, fühlt er sich einem außermenschlichen »Gesetzgeber« und Richter verantwortlich. Diese außermenschliche moralische Instanz ist Gott, der nicht aus dem Denken, aber aus der Erfahrung und dem Gefühl des Menschen erschlossen werden kann.