Durch nichts wird der Glaube an Gott so sehr erschüttert wie durch die eigene Erfahrung von Leid, einhergehend mit einem Gefühl des Verlassenseins und der Ungerechtigkeit. Hierzu zählen einerseits Erlebnisse in der eigenen Biografie wie Verluste, Krankheit und Tod, andererseits Ereignisse im Weltgeschehen wie Kriege, Terror und Naturkatastrophen.
Diese Erfahrungen werfen eine grundsätzliche Frage auf: Wie ist das Übel in der Welt mit dem Glauben an einen guten und allmächtigen Schöpfer zu vereinbaren?
Das Grundproblem der Theodizee
Der Begriff Theodizee geht auf den Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz zurück. Er komzentriert sich auf folgende Grundfrage: Wie kann Gott gerechtfertigt werden angesichts von Übel und Leid in der Welt? Bei dieser Frage werden vor allem zwei Eigenschaften Gottes in Frage gestellt: seine Allmacht und seine Güte. Das Problem selbst ist der Philosophie nicht neu, schon Epikur und Heine werfen entsprechende Fragen auf.
Die Theodizeefrage bei Gottfried Wilhelm Leibniz: Die bestmögliche aller Welten
Im Jahr 1710 versucht der gläubige Christ und Aufklärer Gottfied Wilhelm Leibniz in seinem Werk "Theodizee. Von der Güte Gottes, der Freiheit des Menschen und dem Ursprung des Übels" die Frage der Theodizee mit Hilfe der Vernunft zu beantworten. Hierfür verknüpft er seine Weltdeutung mit der Theodizeefrage: im Rückgriff auf die griechische Kosmosvorstellung soll der Glauben an den Schöpfergott mit der Erfahrung der weltlichen Übel ausgeglichen werden. Die Vernunft erkennt, dass das Böse im Zusammenhabg des harmonischen Weltganzen eine notwendige Funktion einnimmt. Leibniz geht davon aus, dass der göttliche Wille auf das Vollkommene ausgerichtet ist.
Der allmächtige und gütige Gott schafft eine lebendige , harmonische Welt, die in sich abgestufte Grade der Vollkommenheit enthält. Diese Welt ist die aus einer
Vielzahl denkbarer Welten die beste. Leibniz geht davon aus, dass alle im Universum existierenden Dinge durch Gesetzmäßigkeiten miteinander verbunden sind. Die
Änderung einer Konstante hätte große Auswirkungen auf anderer Stelle zur Folge. Würde man also an einer Stelle sämtliches Leid entfernen, hätte das womöglich
noch größeres Leid an anderer Stelle zur Folge. Daher ist die Welt wie wir sie kennen trotz der darin enthaltenen Übel dier bestmögliche aller Welten.
Im Kurzfilm "Spin" wird diese Problematik aufgegriffen und illustriert.
Diese übergeordnete Antwort differenziert Leibniz weiter aus, indem er verschiedene Erklärungen für unterschiedliche Leiderfahrungen entwickelt.
Zunächst werden drei Arten von Übel unterschieden. Ein gewisses Maß an Übel ist unvermeidlich. Hierzu zählen zum Beispiel Erfahrungen wie Krankheiten und
Naturkatastrophen. Leibniz nennt diese Form das physische Übel (malum naturale) und sieht dieses als Teil eines göttlichen Plans und Ausgangspunkt für
positive Entwicklungen.
Ebenfalls enthält die Schöpfung metaphysische Übel wie die Sterblichkeit, welche laut Leibniz aus der Begrenztheit des Menschen resultieren und notwendiges
Element im Gefüge der besten aller Welten sind.
Aus Übeln, die nicht der Mensch selbst verursacht hat, kann demzufolge auch Positives hervorgehen.
Anders verhält es sich mit dem moralischen Übel (malum morale). Dieses ist vom Menschen selbst verschuldet, indem er sich willentlich für das Böse entscheidet. Zum moralischen Übel zählen Handlungen wie Krieg und Terror, bei denen der Mensch als von Gott frei geschaffenes Geschöpf seine Freiheit missbraucht.
Die Theodizeefrage im Buch Hiob
In der Bibel wird die Frage nach dem Leid vor allem an der exemplarischen Figur des Hiob behandelt.Trotz seines Gottesglaubens und seines Gottvertrauens wird Hiob mit schier unermesslichen Leid konfrontiert und von ungeheuer schweren Plagen heimgesucht.
Der heutigen Form der Dichtung steht eine lange und im Einzelnen schwierig zu rekonstruierende Überlieferungsgeschichte gegenüber. Zwischen dem 5. und 3. Jahrhundert vor Christus entstanden, greift die Erzählung verschiedene literarische Stoffe und traditionelle Deutungen auf, verschmilzt, überarbeitet und verändert diese teilweise.
Daher enthält das Buch Hiob mehrere, voneinander abweichende Erklärungen, welchen Sinn das Unglück haben könnte, das den Menschen trifft.
Hiob fragt also Gott nach dem Sinn seines Unglücks. Die Antwort seiner Freunde, im Leid eine Strafe Gottes zu sehen, kann er nicht gelten lassen.
Gott gibt Hiob keine direkte Antwort auf seine Frage nach dem Sinn des leidens in der Welt. Er weist auf seine Fürsorge hin, die alles geschaffene begleitet sowie auf die
Unerforschlichkeit und Größe seines Handelns. Wider Erwarten kehren sich Hiobs Klage und Empörung um in die Einsicht, dass Hiob unweise geredet hat. Hiob gibtt
Gott Recht und bekennt sich schuldig.