Theologie und Wissenschaft

Das Verhältnis von Theologie und Wissenschaft gestaltete sich stets spannungsgeladen und bis heute scheint eine Versöhnung nicht immer möglich. Der Theologie wird unwissenschaftliche Argumentation vorgeworfen, die Antwort der Theologie, diesen Anspruch gar nicht zu haben, wird lächelnd ignoriert. Letztendlich aber haben wir hier zwei Seiten ein- und derselben Medaille, die unsere Welt und den Menschen aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Während die Wissenschaft nach dem "Wie" fragt, versucht die Theologie Antworten zu geben auf das "Warum" und auf die Sinnfrage.

Am Beispiel der Schöpfung kann dieses Spannungsverhältnis gut augezeigt werden. Im Buch Genesis (1.Mose) wird die Entstehung der Welt und aller Lebewesen beschrieben. Mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen scheinen diese Erzählungen nicht vereinbar zu sein und es ergibt sich ein vieldiskutierter Widerspruch. Wie also kann man mit dieser Problematik umgehen?

Naturwissenschaft versus Glaube

Im Laufe der Geschichte kam es immer wieder zu erbitterten Kämpfen zwischen Naturwissenschaftlern und Vertretern des Glaubens. Bis zum 16. Jahrhundert gründete das christliche Weltbild auf den Schöpfungserzählungen. Dass der Mensch und die Welt das Zentrum der Schöpfung sind, wurde als von Gott gewollt nicht angezweifelt. Diese Vorstellung wird als geozentrisches Weltbild (Welt im Mittelpunkt) oder auch anthropozentrisches Weltbild (Mensch im Mittelpunkt) bezeichnet.

Die Entwicklung optischer Geräte und der damit einhergehenden verbesserten Möglichkeiten zur Beobachtung der Himmelskörper brachte die Astronomen im 16./17. Jahrhundert zur Erkenntnis, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht, wie bisher angekommem, umgekehrt. Zu erwähnen sind hier Giordano Bruno, der als einer der ersten von der Unendlichkeit des Universums ausging, sowie Nikolaus Kopernikus, der mit Unterstützung von Galileo Galilei die Wende zum heliozentrische Weltbild einleitete. Die Kirche sah ihre Lehre und Vormachtsstellung in Gefahr und zwang Galilei in einem Prozess, seine Thesen zu widerrufen.

Ähnliches, wenn auch nicht ganz so drastisch, erlebte Charles Darwin, als er seine Theorie über die Entstehung der Arten im Jahr 1859 vorlegte. Darin widersprach er der bis dahin unangezweifelten kirchlichen Überzeugung eines einmaligen Schöpfungsaktes.

An beiden Fällen zeigt sich die lange Zeit der Konkurrenzsituation zwischen Kirche und Naturwissenschaften, in der ein Aufeinanderzugehen nicht gewollt beziehungsweise nicht gekonnt wurde. Der Glaube der Kirche lief zu dieser Zeit der positivistischen (vgl. Postivismus) Weltsicht der Naturwissenschaften zuwider.

Komplememtarität der Weltsichten

Lange Zeit wurden die theologische und die wissenschaftliche Weltsicht völlig getrennt voneinander betrachtet. Beide haben verschiedenen Herangehensweisen an die Wirklichkeit und können durchaus voneinander profitieren. Während sich die Theologie der Frage nach dem Sinn und dem Zweck verpflichtet fühlt, widmet sich die Naturwissenschaft der Fragestellung nach dem Wie.

Werher von Braun formuliert dies in "Naturwissenschaft und Religion" folgendermaßen:

"Mit den Gesetzen der Schöpfung befasst sich die Naturwissenschaft. Mit den Absichten des Schöpfers die Religion. Für mich sind Wissenschaft und Religion gleichsam zwei Fenster eines Hauses, durch die wir auf die Wirklichkeit des Schöpfers und seine in der Schöpfung manifestierten Gesetze hinausblicken."

Die Theologie ist unter diesem Gesichtspunkt der symbolischen Weltsicht zuzuordnen. Sie versucht, mithilfe von Symbolen und Zeichen den Grund und den Sinn der Schöpfung zu erklären, also der Frage auf den Grund zu gehen: Zu welchem Zweck wurde die Welt geschaffen. Wenn man dies auf die biblischen Schöpfungserzählungen überträgt, kann man folgende Konsequenzen ziehen: die Welt ist in ihrem Grundprinzip auf Ordnung ausgelegt, Gott hat die Welt in einer bestimmten zeitlichen und sachlichen Reihenfolge geschaffen. Der Mensch ist von Gott gewollt, er zieht seine Daseinsberechtigung aus der Liebe und Zugewandtheit Gottes. Er wurde so geschaffen, dass er Verantwortung für die Schöpfung übernehmen kann und soll. Das menschliche Selbstverständnis wird dieser Stelle beschrieben.

In einer bildreichen Sprache wird mit Hilfe von Erzählungen und Mythen erklärt, wozu alles geschaffen wurde.

Die naturwissenschaftliche Sichtweise versucht hingegen die Kausalzusämmenhänge zu erklären, sie geht also der Frage nach Weshalb bzw. Aus welchen Zusammenhängen heraus die Welt funktioniert. Diese Zusammenhänge kann und möchte die Bibel als Glaubenszeugnis gar nicht klären, sondern überlässt diese Aufgabe wissenschaftlichen Fachbüchern. Das Aufdecken von Kausalzusammenhängen und das Erweitern überprüfbaren Wissens stehen im Fokus der Naturwissenschaft. Gesetzmäßigkeiten sollen mit Hilfe von objektiv nachvollziehbaren Versuchen und Experimenten gefunden und erklärt werden.

Theologische und naturwissenschaftliche Weltsicht schaffen also komplett unterschiedliche Zugänge zur Wirklichkeit, schließen sich jedoch nicht gegenseitig aus. Wenn die Methoden streng getrennt bleibn, kann auch ein Naturwissenschaftler außerhalb seiner Forschung ein gläubiger Mensch sein. Innerhalb der Naturwissenschaft muss klar sein, dass mit den jeweiligen Methoden keine Aussage über Gott getroffen werden kann bzw. getroffen werden muss und man daher bewusst darauf verzichtet.

Bis heute steht die Frage vom Verhältnis von Wissenschaft und Glaube im Raum. Die folgenden Links führen zu Seiten, die sich vertiefend mit der Fragestellung auseinander setzen.

Kann man als Naturwissenschaftler an Gott glauben?

Theologie und Naturwissenschaften

Für einen Dialog zwischen Naturwissenschaft und Theologie