Der historische Jesus und der Christus des Glaubens - eine Abgrenzung
Das Schreiben einer ausführlichen Lebensgeschichte Jesu scheitert am Quellenmaterial. Die bedeutendsten Quellen, welche zu Jesus verfügbar sind, sind die Schriften des Neuen Testaments. Allerdings muss hierbei immer beachtet werden, dass essich um kerygmatische Texte, also um Glaubenszeugnisse handelt. Die Evangelien gehen auf menschen hzurück, die in Jesus den auferstandenen Sohn Gottes sahen und deren Leben durch die Ostererfahrung verändert wurde. Alle Aussagen sind unter dem Blick des Glaubens getroffen worden in der Absicht, auch anderen Menschen die Bedeutung Jesu begreiflich zu machen. Für die Verfasser der Evangelien war Jesus der im Judentum erwartete Erlöser, der Messias, der Christus. Der verkündigte (kerygmatische) Christus ist der Christus des Glaubens. Die neutestamentlichen Schriften gehen vom Glauben an den auferstandenen Christus aus. Sie interpretieren das Wirken des irdischen Jesus aus der Perspektive des Glaubens.Im Neuen Testament geht es also nicht um historische Tatsachen, sondern um die Verkündigung Jesu und dessen Bedeutung für den Glauben. Ein rein geschichtliches Zeugnis hat es von Jesus nie gegeben, dennoch gibt es die Suche nach den historischen Jesus und nach geschichtlich zuverlässigen Aussagen über ihn. Diese historisch orientierte Forschung innerhalb der Christologie beschäftigt sich mit dem Menschen Jesus, seinem Auftreten und seiner Botschaft ohne die Sicht des Glaubens. Die Darstellung Jesu Christi aus Sicht des nachösterlichen Glaubens muss unterschieden werden vom historischen Wirken des irdischen Menschen Jesus von Nazareth.
Biblische Quellen
In der Bibel findet erzählen die vier Evangelien vom Lebens und Wirkens Jesu. Die vier Evangelisten Markus, Matthäus, Lukas und Johannes verfassten viele Jahre nach der Kreuzigung Jesu, etwa zwischen den Jahren 70 und 100, ihre Texte über Jesus. Dabei ging es ihnen jedoch weniger um seine Familie, Freundschaften, Liebesbeziehungen, seine Kindheit oder seine Jugend als vielmehr um seine Wirkungszeit und öffentlichen Auftritte. Seine Verkündigung vom Reich Gottes steht im Mittelpunkt. Über sein tatsächliches Leben wird nur sehr wenig berichtet. Obwohl die vier Evangelien im Neuen Testament nur teilweise übereinstimmen und bisweilen lückenhaft sind, bilden sie bis heute das Fundament des christlichen Glaubens.„...die Evangelien [sind] keine Tatsachenberichte des Lebens Jesu aus der Sicht von vier verschiedenen „Reportern“ [...], sondern Glaubenszeugnisse, hinter deren programmatischen Aussagen die Konturen der historischen Gestalt des Jesus von Nazareth sehr stark verschwimmen, ja, [...] es [kann] überhaupt nicht Ziel der Verfasser gewesen sein [...], etwas im heutigen Sinne „Historisches“ zu verfassen.“(Patrick Wilhelmy)
Die Zwei-Quellen-Theorie geht davon aus, dass die Evangelisten Matthäus und Lukas bei der Abfassung ihrer Evangelien zwei Hauptvorlagen hatten: das Markusevangelium und die Logienquelle (Q). Q ist ein schon früh verlorengegangenes Dokument, auch Spruchquelle oder Spruchevangelium genannt. Zudem verfügten Mt und Lk über eigenes Sondergut (Sg).Von den drei synoptischen Evangelien ist mit insgesamt 661 Versen das Markusevangelium das älteste und zugleich kürzeste, dann kommt das Matthäusevangelium mit 1068 und das Lukasevangelium mit 1149 Versen. Auffallend ist, dass von den 661 Mk-Versen 660 bei Mt und 350 bei Lk vorhanden sind. Daneben finden sich bei Mt und Lk weitere 235 parallele Verse. Außerdem haben Mt und Lk noch 233 (Mt) bzw. 564 Verse (Lk), die sich nur bei ihnen finden (Sondergut).
Außerbiblische Quellen
Auch außerbiblische Zeugnisse bstätigen die Jesusbewegung. Diese wurde zwar erst einige Zeit nach dem Tod Jesu eine Größe, aber auch Nichtchristen mussten sich mit ihr auseinandersetzen. Der jüdische Schriftsteller Josephus Flavius[6] und der Talmud[7] bieten Hinweise auf Jesus, die wenigstens seine Existenz und auch seinen gewaltsamen Tod bestätigen. Im fernen Rom berichtete im Jahre 116 oder 117 n.Chr. der Geschichtsschreiber Tacitus in den Annalen über die Hinrichtung Jesu durch Pontius Pilatus[8]. Allerdings wird dieser Hinweis wohl kaum auf eigene Nachforschungen des Tacitus zurückzuführen sein, sondern das wiedergeben, was von den Christen selbst erzählt wurde. So bieten die außerbiblischen Zeugnisse nicht viel an Informationen; für alle weiteren Fragen bleiben wir auf die Evangelien angewiesen.Biografische Daten
Relativ sicher lassen sich die folgenden Daten und Eckpunkte der Biografie Jesu rekonstruieren.Jesus wurde in Nazaret geboren. Das Geburtsjahr ist nicht mehr exakt zu ermitteln. Ziemlich sicher ist allerdings, dass sich der Mönch Dionysius Exiguus im 6. Jh. irrte, als er die Geburt Jesu auf das Jahr 753 nach der Gründung Roms terminierte. Mt und Lk stimmen nämlich darin überein, dass Jesus noch zu Lebzeiten Herodes des Großen geboren wurde. Dieser König starb 4 v.Chr.
Die Eltern Jesu waren Maria und Joseph. Jesus hatte noch vier Brüder und (mindestens) zwei Schwestern. Sein vater Joseph war "Zimmermann". Diesen Beruf erlernte auch Jesus, allerding trifft die Berufsbezeichunung "Bauhandwerker" eher zu.
Jesus war ca. 30 Jahre alt als er in die Öffentlichkeit trat. Vermutlich hat er sich zunächst Johannes dem Täufer angeschlossen und möglicherweise auch selbst zunächst die Bußtaufe praktiziert.
Die Masse der überlieferten Tradition weist nach Galiläa als dem Wirkungsgebiet Jesu. Genauer konzentrierte sich sein Wirken offenbar auf ein kleines Gebiet nordwestlich des Sees Gennesaret, in dem die häufig erwähnten Orte Kafarnaum, Chorazim und Betsaida lagen. Es fällt auf, dass Jesus bei seinen Wanderungen die hellenistischen Städte in Galiläa – Sepphoris und Tiberias – gemieden hat. Diese Beobachtung wird durch das in seinen Gleichnissen verwendete Bildmaterial unterstützt, das ebenfalls die Welt der Kleinbauern, Pächter und Tagelöhner des ländlichen Galiläa spiegelt. Politisch gehört das Wirkungsgebiet Jesu zu weiten Teilen zur Tetrarchie des Herodes Antipas. Daneben wirkte er im angrenzenden Gebiet des Philippus. Die dabei zu überschreitende Grenze erklärt die häufige Erwähnung von Zöllnern. Es ist unsicher, ob Jesus auch auf nichtjüdischem Gebiet wirkte. Die wenigen Zeugnisse dafür lassen eher vermuten, dass Jesus sich auch bei Überschreitung der politischen Grenzen Galiläas auf jüdisch besiedeltem Gebiet aufhielt.
Man geht in der Forschung im allgemeinen davon aus, dass die Angabe der Synoptiker eher den historischen Tatsachen entspricht. Jesus hat also ca. 1 Jahr öffentlich gewirkt und ist dann anlässlich einer Pilgerreise zum Passafest in Jerusalem angeklagt und hingerichtet worden.
Quelle: https://www.bibelwissenschaft.de
Wer das alles sehr genau wissen will, findet im Artikel von Karl-Heinz Ohlig (Professor für Religionswissenschaft und Geschichte des Christentums) eine sehr gute Aufbereitung des Themas.
Die folgende Reportage bietet weitere Vertiefung ins Thema: